Es war bereits zum Abbruch freigegeben, da konnten wir das erstmals im 14. Jh. erwähnte Haus im Baurecht erwerben. «Bauen heisst lernen. Dies gilt auch und besonders für das Umbauen und Instandstellen. Der Umbau des Hauses Rindermarkt 7 stellte einen Meilenstein in diesem Lernprozess dar.» Hans R. Ruegg, Stadtbaumeister, 1995
Das Altstadthaus am Rindermarkt 7 in Zürich
Eigentlich handelt es sich um zwei Altstadthäuser. Erst Ende 18. Jh. wurden das westliche Haus Pilgrimstab und das östliche Haus Kante zu einer Liegenschaft zusammengefasst. Knapp 200 Jahre später entspann sich ein Streit unter den Experten über die Erhaltenswürdigkeit des Hauses.
Viele Experten wissen, was zu wissen ist
«Dass das Haus am Zusammenkrachen ist, das ist kaum umstritten.» «Eindeutig erwiesen ist, dass eine sanfte Renovation nicht möglich ist.» «Es ist sicher mit dem Doppelten eines Neubaus zu rechnen.» «Was bliebe von der Bausubstanz, die alle erhalten wollen, schliesslich noch übrig?»
Der Umschwung – Edi Neuenschwander in der NZZ vom 30. August 1988: Rindermarkt 7 oder Der Umgang mit Altbauten. Ein Auszug:
Substanz und Wert
Wie jedes Biotop, so folgt auch die Stadt in allen ihren Erscheinungen energetischen Gesetzen, steht sie in einem komplexen Optimierungsprozess auf zahllosen ineinander vernetzten Ebenen. Die Umstrukturierung der Innenstadt steht unter solcher Spannung, wobei wirtschaftlich dominante Kräfte eingesetzt werden, die für den gesellschaftlichen und baulichen Bereich oft katastrophale Folgen haben. Dies führt zur vierten Ebene, zur Baukonstruktion und zu den Kostenfolgen. Jede Bausubstanz, das Fundament, die geborstene Tragmauer, das Balkenwerk in seinem konservierten und morschen Zustand, jeder kleinste Bauteil, ist Existenz, Zeuge der Geschichte, Spur, ist Substanz und Wert. Gleichermassen ist es der umschlossene Raum, die Raumfolge, die Beziehung von Volumen, Konstruktion und Raum in der Gebäudeebene und durch die Stockwerke. Eine zeichnerische Bauaufnahme ist wie ein Röntgenbild: Ein einziger Blick erschliesst die zeitlichen Schichtungen, Zerstörungen und Ergänzungen. Denn Geschichte war Reagieren auf Vorhandenes,Nutzen und Wiederverwenden. Es gibt keine Bausubstanz, die nicht ihrem Wert entsprechend erhalten werden könnte.
Dialog mit dem Altbau
Integrales Erhalten aller Bausubstanz heisst aber keineswegs mumifizieren, sondern damit etwas machen. Sei es, dass die Bauteile ihre bisherige Funktion beibehalten und dann durch konstruktive Massnahmen unterstützt werden, sei es, dass sie als Spuren respektiert werden und als gestaltende stimmungsbildende Elemente weiterwirken. Der Dialog mit dem Altbau geht bis in die kleinsten Einzelheiten: Mauernischen,vorspringende Balkenköpfe, zugemauerte Durchbrüche. Er macht die zu verschiedenen Zeiten gewachsenen Strukturen sichtbar und gibt ihnen als neue Funktion oder als Ornament Sinn und Zweck. Damit wird der Umgang mit Altbauten zu einem schöpferischen Gegenwartsakt. Verboten sind Purifikation der Wiederherstellung eines Gebäudes in seinen «ursprünglichen» Zustand, den es im historischen Wachstumsprozess meist gar nicht mehr zu erkennen gibt, sowie die mit dieser Gestaltung verbundene Rekonstruktion, die ebenso willkürlich irgendeine Wachstumsphase wiederherstellt ohne Bezug auf die gegenwärtige Nutzung. Ein grosser Anteil der gefürchteten hohen Renovierungskosten betrifft untaugliche konstruktive Massnahmen und die Unfähigkeit, vorhandene Substanz mitzuverwerten. Es kostet weniger, einen Bauteil stehen zu lassen und ihn zu sichern, als ihn zu entfernen und zu rekonstruieren. Denn damit verbunden ist meistens ein baulicher Eingriff, der weit über die lokale Sanierung hinausreicht und ausstrahlend unzählige Nebenfolgen und Aufwendungen zeitigt. Die Erfahrung zeigt, dass bei einer derart differenzierten schöpferischen Methode, da Vergangenheit und Gegenwart integriert werden, die Aufwendungen im Extremfalle höchstens den Stand von Neubaukosten erreichen. Dabei aber werden wie bei einem kostbaren Kunstwerk Werte geschaffen, die mit der Monokultur eines Neubaus nicht zu vergleichensind. Das Haus am Rindermarkt 7 könnte ein derartiges Beispiel sein.